ModEst - Softwaregestützte Modellidentifikation anhand von Messdaten im Bereich industrieller Energiesysteme

Zielstellung des Projektes

Bei der Optimierung eines Energiesystems kommen komplexe Modelle zum Einsatz. Die Modellbildung für die Anlagen ist immer noch ein großes Hemmnis für viele Anwender. In modernen Energiesystemen liegen zunehmend Messdaten aus Energiemanagementsystemen vor. Im Projekt ModEst soll die Modellierung von Energiesystemen unter Einbeziehung der Daten unterstützt oder automatisiert werden. Es sollen geeignete Methoden zur Struktur- und Parameteridentifikation (z. B. von Wirkungsgraden) entwickelt und implementiert werden. Das Projekt enthält folgende Teilaufgaben:

  • Anpassen von Parametern eines bestehenden Modells,
  • Erweiterung und Präzisierung eines bestehenden Modells durch Strukturidentifikation,
  • Modellierung einer Anlage, bei der keinerlei Zusammenhänge bekannt sind (Black-Box),
  • Online-Validierung und -Aktualisierung eines bestehenden Modells

Projektergebnisse

Im Projekt wurden Methoden zur Datenaufbereitung entwickelt, die eine Modellidentifikation vorbereiten und vereinfachen. Die Methode der Fehlstellenergänzung betrachtet lückenhafte Zeitreihen und entscheidet anhand der Größe der Lücke und einer ggf. vorhandenen Saisonalität der Zeitreihe über die Anwendung einer linearen Interpolation bzw. der dreifachen exponentiellen Glättung nach Holt-Winters. Damit werden mit möglichst geringem Rechenaufwand plausible Verläufe nachgebildet. Darüber hinaus ermöglicht die Methode der Zustandswechselfilterung eine Bereinigung der Messzeitreihe von Datenpunkten, die für das Systemverhalten nicht wesentlich sind und damit eine Modellidentifikation erschweren oder verfälschen. Solche Messpunkte stellen oft nicht-stationäre Zustände dar, die zwischen Lastwechseln auftreten. Eine Vorgabe des Benutzers ermöglicht die Definition eines solchen Lastzustandswechsels und die anschließende Herausfilterung der nicht-stationären Messwerte.

So aufbereitete Messzeitreihen können zur Modellidentifikation herangezogen werden. Für die Entscheidung darüber, welche Messwerte einen Einfluss auf die Modellierung des betrachteten Energiesystems haben, wurden Methoden zur Ermittlung von Modell-Einflussgrößen entwickelt und prototypisch implementiert. In einer Korrelationsmatrix können die Korrelationskoeffizienten zwischen ausgewählten Zeitreihen gegenübergestellt werden, wobei hohe bzw. niedrige Korrelationen farblich markiert sind. Mit der Methode der Modellbildung kann der lineare, quadratische oder kubische Zusammenhang zwischen einer Ausgangs- und mehreren Eingangsgrößen ermittelt und als Regressionsfunktion ausgegeben werden. Dabei wird der Ansatz des Kleinste-Quadrate-Schätzers (LSE) verwendet. Die Güte der darüber ermittelten Funktion kann anhand statistischer Kennzahlen R², AIC und BIC eingeschätzt werden. Die Modellbildung kann schrittweise ablaufen, wobei jeder Schritt eine Verbesserung der Funktion bezogen auf BIC darstellt, oder automatisiert abgeschlossen werden, bis keine Verbesserung innerhalb voreingestellter Toleranzkriterien möglich ist.

Für den mehrdimensionalen Fall lässt sich der Ansatz so beschreiben, dass mehrere eindimensionale stückweise lineare Funktionen auf einem einheitlichen Gitter zu einem Kennfeld zusammengefasst werden. Die Einteilung in Gitterabschnitte geschieht im Vorfeld und hat zum Ziel, die realen Vorgänge ausreichend genau abzubilden und gleichzeitig die Modellkomplexität möglichst niedrig zu halten. Die resultierende Funktion ergibt ein Kennfeld, das die Abhängigkeit einer Ausgangsgröße von zwei Eingangsgrößen beschreibt. Dieses Vorgehen wurde anhand eines realen Beispiels evaluiert und als hinreichend genau eingestuft. Das Kennfeld kann in Tabellenform ausgedrückt und anschließend in MILP-formulierten Problemen verwendet werden, um mehrdimensionale Abhängigkeiten in energetischer Optimierung zu berücksichtigen.

Projektpartner

  • RWTH Aachen, Lehrstuhl für Technische Thermodynamik
    An der RWTH (LTT) beschäftigt sich die Forschungsgruppe Energiesystemtechnik neben der Analyse von Energiesystemen seit etwa 1995 mit der Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen zur rationellen Energieverwendung und Emissionsminderung. Auch im Bereich der Strukturoptimierung finden seit vielen Jahren am LTT methodische Untersuchungen statt. Dabei wurde die Notwendigkeit eines rechnergestützten Analyse-, Planungs- und Optimierungswerkzeugs erkannt. Die RWTH (LTT) ist im Forschungsprojekt ModEst als koordinierende Forschungsstelle aufgetreten. Hier wurden außerdem die wesentlichen Teile der wissenschaftlichen Aspekte zu Parameter- und Strukturidentifikationsmethoden für Energiesysteme bearbeitet.
  • Currenta GmbH & Co. OHG, Leverkusen
    CURRENTA (www.currenta.de) betreibt den CHEMPARK an den Standorten Leverkusen, Dormagen und Krefeld-Uerdingen mit über 70 ansässigen Unternehmen, darunter die Bayer AG, die Covestro AG und die Lanxess AG. Als Standortbetreiber versorgt CURRENTA die Kunden mit Dampf, Strom, Kälte, Druckluft und weiteren Medien. CURRENTA unterstützte die Methodenentwicklung im Projekt durch die Bereitstellung von Be-triebs- und Anlagendaten der Energiesysteme der Industriestandorte. Darüber hinaus wird CURRENTA die entwickelten Methoden in den Praxisbeispielen vor Ort einsetzen und somit die Eignung der Methoden in der industriellen Praxis testen.